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Windmühle

Gegenwind Nwb.

Artikel in der HAZ vom 17. Nov. 2001

Hannoversche Allgemeine Zeitung
Archiv

Datum=17.11.2001; Quelle=HAZ; Ressort=NIED;

Windräder stören den Dorffrieden

Im Kreis Celle soll einer der größten Parks Europas entstehen / Viele Anwohner fürchten um ihre Lebensqualität

VON HEINRICH THIES

Hohne. Monströs erhebt sich ein Betonpfeiler überm abgeernteten Kartoffelacker. Während ein Trecker übers Feld tuckert, dreht sich hoch oben ein Windrad ­ langsam und lautlos, denn der Wind ist schwach. Doch die Ruhe ist trügerisch. Denn das 70 Meter hohe Bauwerk wird vielleicht schon bald durch doppelt so hohe Anlagen in den Schatten gestellt. Einer der größten Windparks Europas soll in der Gemeinde Hohne am Ostrand des Landkreises Celle in den Himmel wachsen: 45 Windräder, darunter zwölf sogenannte Jumbos mit einer Höhe von 172 Metern, bestehend aus Gittermasten, die mit drei Rotoren bestückt sind ­ hundert Meter höher als der Turm der Celler Stadtkirche.

Ein Riss geht schon jetzt durch die Gemeinde. Die einen rechnen mit satten Pachten, die anderen fürchten Landschaftszerstörung, Lärm, elektromagnetische Felder, Schallwellen und Lichtreflexe, kurz: Einbußen ihrer Lebensqualität. Jörn Künzle ist zum Windkraftgegner geworden, als er im vergangenen Jahr versuchte, wegen eines Arbeitsplatzwechsels sein Wohngrundstück am Ortsrand von Hohne zu verkaufen. "Mit Blick auf den Windpark haben alle gleich abgewinkt³, sagt er. So sah sich der 38 Jahre alte Vertriebsingenieur gezwungen, das lukrative Job-Angebot in Berlin auszuschlagen. Nun kämpft er als stellvertretender Vorsitzender der örtlichen Bürgerinitiative "Schmarloh ohne Windindustrie³ gegen die drohenden Windmühlenflügel.

Seit den Kommunalwahlen im September sitzt Künzle auch im Gemeinderat. Die Windkraftgegner von Hohne, die unter dem Dach der FDP kandidierten, erhielten immerhin jede vierte Stimme in der Gemeinde. Vor den Wahlen hatte sich der Rat noch nahezu einstimmig für den Windpark ausgesprochen. "Ich bedaure sehr, dass es jetzt eine derart fanatisierte Diskussion gibt³, klagt Bürgermeister Erhard Thölke (SPD). Völlig ungerechtfertigt seien die Argumente der Windkraftgegner. Lärm? Schlagschatten? "Alles maßlos übertrieben.³ Bei einem Mindestabstand von 1000 Metern halte sich die Belastung der Wohngebiete in Grenzen.

"Dass wir eine optische Belastung haben, steht natürlich außer Frage³, räumt der Bürgermeister ein. Doch eine Autostunde von der nächsten Autobahnabfahrt entfernt dürfe man nicht allzu wählerisch sein. Lange Zeit wurde in Hohne immerhin noch Erdöl gefördert. Doch damit ist es seit zehn Jahren auch vorbei. Ob die Windräder aber wirklich einmal Gewerbesteuer in die Gemeindekasse schaufeln, ist selbst für den Bürgermeister noch ungewiss. Arbeitsplätze jedenfalls werden wohl kaum entstehen. Da aber die Gemeinde im Bereich des Windparks Flächen besitzt, darf sie aber wie die Privateigentümer zumindest auf Pachtzahlungen hoffen. Zwischen 100 000 und 150 000 Mark pro Jahr erwartet Thölke für die Gemeinde ­ Geld, das dringend gebraucht werde, um das Waldschwimmbad, den Kindergarten oder die Schule in Schuss zu halten.

Doch der Dorffrieden ist empfindlich gestört. Das Großprojekt spaltet die Gemeinde. "Im Ortsteil Spechtshorn grüßen sich die Leute schon nicht mehr³, sagt Hans-Oskar Baron, dem davor graut, von seinem Haus aus bald auf ein Feld von "Windungetümen³ zu blicken. Anders als der Bürgermeister spricht der Windparkgegner von einem "Hauruckverfahren³. Erheblich beschleunigt wird die Aufstellung von Windkraftanlagen aus Sicht der Bürgerinitiative durch die Änderung des Bundesbaugesetzes, wonach seit 1997 der "Schutz des Außenbereichs³ hinter die Förderung der Windmühlen zurücktritt.

Landwirte und Grundstückseigentümer in Hohne sehen dagegen für sich finanzielle Vorteile. Bis zu 15 000 Mark Pacht im Jahr sollen die Betreiber pro Windrad bieten, und unabhängig von der Aufstellung einer Anlage soll jeder im Bereich des Windparks pro Hektar eine jährliche Entschädigung von 800 Mark erhalten. Für die Bauern ein willkommenes Zubrot, für Windkraftgegner Künzle eine Unverschämtheit: "Das kann doch wohl nicht sein, dass die Landwirtschaft über die Windenergie subventioniert wird. Ein Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft ist das jedenfalls nicht."

Wind-Branche boomt

Die Bundesregierung hat große Pläne mit dem Wind. Bis zum Jahr 2010 soll sich die Energieleistung der Windkraft auf dem deutschen Festland verdoppeln. Dabei ist die Bundesrepublik mit knapp 8000 Megawatt schon jetzt Windenergie-Weltmeister. Und mehr als ein Viertel der rund 11 000 Rotoren stehen in Niedersachsen, weitere 4000 sind landesweit geplant, 3000 schon genehmigt.

Die weitaus meisten Rotoren drehen sich zwar an der Küste. Vor wenigen Tagen ist der erste deutsche Windpark auf offener See ­ 45 Kilometer vor der Insel Borkum ­ genehmigt worden. dort sollen zunächst zwölf Pilotanlagen, später dann 220 Windräder mit einer Leistung von jeweils 1,5 Megawatt entstehen.

Doch auch der Landkreis Hannover wird vom Boom der Wind-Branche mit erfasst. Zu den bestehenden 130 Anlagen sollen weitere 174 dazukommen ­ vielerorts zum Leidwesen der Anlieger. Besonders groß ist der Widerstand in Leveste (Gehrden), wo zwölf Windräder gebaut werden sollen. Die örtlichen Landwirte dagegen stehen dem Projekt positiv gegenüber: Sie beschränken sich nicht darauf, ihr Land zu verpachten, sondern wollen die Windräder sogar selbst betreiben. th

(c) 2001 Verlagsgesellschaft Madsack

© 2001 - 2004 Copyright by Heidemarie Müller, letzte Änderung 17.11.2001